Geschichte und Entwicklung der Zeitarbeit in Deutschland

Die Zeitarbeit ist heutzutage ein beliebtes Instrument, um kurzfristigen Personalbedarf zu decken. Die Vermittlung von Arbeitskräften existiert in Deutschland allerdings schon seit über 100 Jahren und ist dauerhaft Gegenstand der Veränderung.
Von
Nelly Prüß
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Zeitarbeit (auch Leiharbeit oder Arbeitnehmerüberlassung genannt) umfasst einen Personaldienstleister (Verleiher) der einem Kundenunternehmen (Entleiher) einen Zeitarbeiter für eine bestimmte Zeit überlässt. Durch diesen Ansatz zur Deckung des Personalbedarfs kann ein Unternehmen flexibel bleiben und seinem Wachstum fördern. Zeitarbeit erfreut sich mittlerweile großer Beliebtheit und hat in Deutschland eine über 100-jährige Geschichte.

Erste Formen

1922 wird das entgeltliche Vermitteln von Arbeitskräften durch das Arbeitsnachweisgesetz geregelt. 1927 übernimmt dann das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) mehrere Teile dieses Gesetzes. Durch den Reichspräsidenten von Hindenburg werden den Vermittlern schon 1931 die vollen Arbeitgeberpflichten auferlegt. In Deutschland kommt das durch die Nationalsozialisten zu einem kompletten Stopp, da das Dritte Reich sämtliche Vermittlungsaktivitäten ab 1935 monopolisierte. Personalleasing, wie wir es in seiner heutigen Form kennen, entwickelte sich dann erst in der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkriegs.

Anfänge in den Vereinigten Staaten und Europa

Die beiden amerikanischen Rechtsanwälte Aaron Scheinfeld und Elmer Winter suchen 1948 kurzfristig Ersatz für eine erkrankte Sekretärin. Als sie erkennen, welches Potenzial die Vermittlung von Ersatzarbeitern bei Personalengpässen hat, gründen sie noch im selben Jahr die erste Zeitarbeitsfirma, Manpower Inc. Aufgrund des enormen Erfolgs verbreitet sich das Modell der Zeitarbeit schnell in den Vereinigten Staaten, bevor es schließlich auch nach Europa expandiert. 1956 werden die ersten Zeitarbeitsbüros in Paris und London eröffnet. Die erste Niederlassung in Deutschland wird 1962 von dem Schweizer Unternehmen ADIA Interim (heutiges Adecco) in Hamburg eröffnet. Das Verleihen von Arbeitskräften verstößt damals noch gegen geltendes Recht, weshalb die Bundesanstalt für Arbeit einen Strafantrag stellt. Diese fühlen sich in ihrem Monopol der Arbeitsvermittlung bedroht.

Gesetzliche Grundlagen

1952 tritt das AVAVG wieder in Kraft, und somit auch die Regelungen zur Vermittlung von Arbeitskräften. Nach der Strafanzeige der Bundesanstalt für Arbeit wird am 4. April 1967 in Karlsruhe entschieden, dass die Ausdehnung des Arbeitsvermittlungsmonopols auf Arbeitnehmerüberlassungsverträge durch § 37 AVAVG mit dem Grundrecht der freien Berufswahl gemäß Artikel 12 GG nicht vereinbar ist. Das bedeutet, dass die Vermittlung von Arbeitskräften nur durch die Bundesanstalt für Arbeit erfolgen darf. Allerdings wird beschlossen, dass die Arbeitnehmerüberlassung grundsätzlich mit dem Recht der freien Berufswahl vereinbar ist und legt somit die Weichen für für die Zukunft der Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland.

Arbeitnehmerüberlassungsgesetz

1970 verlangt das Bundessozialgericht in einem Urteil, dass ein sozialer Mindestschutz von Zeitarbeitnehmern zu gewährleisten ist. Im selben Jahr legt es die Kriterien zur Abgrenzung der zulässigen Arbeitnehmerüberlassung von der verbotenen Arbeitsvermittlung fest. Zwei Jahre später tritt schließlich das Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (AÜG) in Kraft. Das Gesetz sollte eine Verbesserung der Branche, vor allem für die Zeitarbeiter, durch diese Ziele ermöglichen:

  • Das Betreiben von Arbeitnehmerüberlassung soll von einer Erlaubnis abhängig gemacht werden
  • Die Arbeitnehmerüberlassung soll von der Arbeitsvermittlung abgegrenzt werden
  • Die langfristige Arbeitnehmerüberlassung soll unterbunden werden
  • Die Arbeitnehmerüberlassung soll staatlicher Kontrolle unterworfen werden
  • Der arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Schutz der Zeitarbeitnehmer soll gewährleistet werden
  • Den ausländischen Arbeitnehmern soll ein besonderer Schutz garantiert werden

Veränderungen des AÜG

Mit der Verabschiedung des AÜG wurde die Bundesregierung beauftragt, alle vier Jahre über Erfahrungen mit der Anwendung dieses Gesetzes zu berichten. Aufgedeckte Fälle von „Schwarzen Schafen“, die sich nicht an Arbeitgeberpflichten und soziale Selbstverständlichkeiten hielten, flossen in die Erfahrungsberichte der Bundesregierung ein. Das resultierte in einem Überlassungsverbot für das Bauhauptgewerbe, denn dort wurden damals die meisten Verstöße registriert. Am 1. Januar 1982 wurde "die Arbeitnehmerüberlassung in Betriebe des Baugewerbes für Arbeiten, die üblicherweise von Arbeitern verrichtet werden", gesetzlich verboten. Auch eine Verfassungsklage, die 1988 gegen den Beschluss erhoben wurde, bleibt mit Urteil erfolglos. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz bleibt seit seinem Inkrafttreten Gegenstand der Veränderung:

  • 1985: Das Beschäftigungsförderungsgesetz tritt in Kraft. Die maximal zulässige Einsatzdauer von Zeitarbeitern wird von drei auf sechs Monate erhöht.
  • 1994: Die Überlassungsdauer wird von sechs auf maximal neun Monate verlängert. Zudem fällt das Vermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit und private gewerbsmäßige Arbeitsvermittlung wird zugelassen. Ein wichtiger Schritt für die Personaldienstleister-Branche.
  • 1997: Weitere Änderungen, unter anderem beträgt die maximale Überlassungsdauer nun zwölf Monate.

Grundlegende Überarbeitung des AÜG

Im Zuge der “Hartz-Vorschläge” werden 2004 die Rahmenbedingungen für die Zeitarbeit abgeändert:

  • Die Begrenzung der Höchstüberlassungsdauer wird aufgehoben
  • Die Wiedereinstellungssperre und das Synchronisationsverbot, welches verhinderte, dass Leiharbeitsfirmen Beschäftigte nur für die Dauer eines akquirierten Einsatzes in einem Entleihbetrieb einstellten, entfallen
  • Die Gleichbehandlungspflicht (Equal Treatment) der Zeitarbeitnehmerschaft mit den vergleichbaren Stammbeschäftigten im Kundenbetrieb wird hinsichtlich sämtlicher wesentlicher Arbeitsbedingungen, einschließlich des Arbeitsentgelts (Equal Pay) gesetzlich eingeführt
  • Das Equal Treatment-Prinzip kann nur durch Tarifvertrag abgelöst werden, wovon die Tarifparteien der Zeitarbeitsbranche und – in der Folge – die Zeitarbeitsunternehmen durch Anwendung entsprechender Tarifwerke Gebrauch machen.
  • Im Falle einer Arbeitnehmerüberlassung wird eine Vermittlungsprovision zugelassen.

Mit den Änderungen verbunden erfolgt auch ein positiver Imagewandel für die Branche. 2005 erscheint der 10. AÜG-Erfahrungsbericht, in dem die Bundesregierung bestätigt, dass Zeitarbeit „im Rahmen sozial abgesicherter Beschäftigungsverhältnisse auch Arbeitslosen eine Chance zum Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt eröffnet und geeignet ist, neue Arbeitsplätze zu schaffen“. Die Beliebtheit der Arbeitnehmerüberlassung steigt, und das Wachstumspotenzial in Deutschland ist groß.

Richtlinien des Europäischen Parlaments

Das Europäische Parlament verabschiedet 2008 die EU-Richtlinie für Zeitarbeit. Die Richtlinie legt wichtige Grundsteine für die Verbesserung der Beschäftigung für die Zeitarbeiter. Equal Pay und Equal Treatment sollen eine gleiche Entlohnung und gleiche Arbeitsbedingungen für Zeit-

und Stammmitarbeiter eines Unternehmens garantieren. 2011 werden durch AÜG-Reformen nötige Anpassungen an die EU-Richtlinien durchgeführt und zusätzliche Verbesserungen eingeführt:

  • Eine allgemeinverbindliche Lohnuntergrenze wird eingeführt, d.h. durch Tarifverträge kann wie bisher vom Equal Treatment-Grundsatz abgewichen werden, aber eben nur bis zur Lohnuntergrenze. Damit soll Lohndumping umgangen werden und die Beliebtheit der Branche steigern.
  • Eine “Drehtürklausel” soll Abweichung vom Grundsatz der Gleichstellung vermeiden, wenn der Zeitarbeitnehmer beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt war und in den letzten sechs Monaten vor der Entleihung aus diesem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Die Klausel soll ausschließen, dass Arbeitgeber ihre Angestellten entlassen, um sie nach wenigen Wochen oder Monaten erneut einzustellen und von geringeren Zeitarbeit-Löhnen zu profitieren.

Entwicklung der Tarifverträge

Schon 1969 wird der Vorläufer des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP), der Unternehmensverband für Zeitarbeit (UZA) gegründet. 1970 unterzeichnen sie den ersten Tarifvertrag für Angestellte mit der Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG). 1998 wird der Interessenverband Deutscher Zeitunternehmen (iGZ) gegründet. Dieser schließt erstmals einen Tarifvertrag mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ab. Heutzutage gibt es zwei gültige Flächentarifverträge für die Zeitarbeitsbranche, jeweils zwischen der DGB und dem BAP bzw. iGZ. Diese stehen dauerhaft unter Veränderungen, um gesetzlichen und soziopolitischen Anforderungen gerecht zu werden.

Neueste Veränderungen in der Branche

2017 traten neue AÜG-Reformen in Kraft, die die gesetzliche Höchstüberlassungsdauer auf achtzehn Monate beschränkten und das gesetzliche Equal Pay nach neun Monaten verpflichtend machten. Hierbei wurde für tarifliche Abmachungen Raum geschaffen. Als in 2020 die Corona-Pandemie ausbrach und die Wirtschaft einige Einbußen zu verzeichnen hatte, konnten mithilfe des Personalleasings neu entstandene Lücken in systemrelevanten Berufen geschlossen werden. Ende 2023 schlossen sich die BAP und iGZ zusammen und bildeten den Gesamtverband der Personaldienstleister (GVP). Bis zur Fertigstellung der Überarbeitung bleiben dabei aber die jeweiligen Tarifverträge bestehen.

Die Zeitarbeit beschäftigt etwa 830.000 Menschen und macht damit circa 2% der arbeitenden Bevölkerung aus. Vor allem die Volatilität des Marktes, aber auch innerbetrieblicher Schwankungen können durch sie überwunden werden. Zeitarbeit kommt bei Auftragsspitzen zum Einsatz, also wenn beispielsweise saisonbedingt die Nachfrage in einer Branche steigt. Aber Zeitarbeit wird auch langfristiger angewandt, wenn es etwa krankheitsbedingte Ausfälle im Stammpersonal gibt. Es gibt also einige Vorteile der Arbeitnehmerüberlassung und kann branchenübergreifend eingesetzt werden.

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