Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) im Recruiting

Künstliche Intelligenz (KI) und ihre Einsatzmöglichkeiten sind in aller Munde. Auch im Recruiting gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, sie zu nutzen. Aber wie genau kann KI dort eingesetzt werden und wo liegen mögliche Gefahren?
Von
Nelly Prüß
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Kaum ein Thema ist so präsent wie Künstliche Intelligenz (KI) und ihre Integration in den Alltag. Auch in der Arbeitswelt findet KI, auch als Artificial Intelligence (AI) bekannt, immer mehr Anwendung, insbesondere im Personalwesen. Besonders während des Recruiting-Prozesses, also bei der Bewerberauswahl, wird KI verwendet. Einige Unternehmen setzen bereits auf KI-gestützte Systeme, die sie bei der Auswahl von Bewerbern unterstützen oder sogar den gesamten Auswahlprozess übernehmen sollen. Obwohl Künstliche Intelligenz bereits seit den 1950er Jahren Gegenstand wissenschaftlicher Forschung ist, ist sie für viele Menschen noch ein relativ neues Phänomen. Es gibt viele Fragen rund um das Thema Künstliche Intelligenz und ihren Einsatz im Recruiting.

Was ist Künstliche Intelligenz?

Eine klare Definition für die KI zu formulieren, ist schwierig. Laut Stuart Russell und Peter Norvig, zwei Wissenschaftler der Informatik, gibt es vier denkbare technische Definitionen von KI:

  • (1) Maschinen, die menschlich denken
  • (2) Maschinen, die rational denken
  • (3) Maschinen, die menschlich handeln
  • (4) Maschinen, die rational handeln

Für Russel und Norvig entspricht Definition 4 ihrem eigenen Verständnis von KI. Künstliche Intelligenz ist ein komplexer Forschungsgegenstand, weil er auch philosophische Fragen aufwirft: Was ist Denken überhaupt? Wodurch zeichnet sich Menschlichkeit und Rationalität aus? Dazu kommt, dass KI kaum als Teilbereich der Informatik gesehen werden kann, da sie eher als Sammelbegriff verschiedener Disziplinen fungiert: Maschinelles Lernen (Machine Learning), Computerlinguistik (Natural Language Processing), Maschinelles Sehen (Computer Vision), vernunftbasiertes Schlussfolgern (Reasoning) sowie Planung und Optimierung. Uwe Schick fasst das zusammen und stellt folgende Definition auf: “Künstliche Intelligenz ist der Überbegriff für Anwendungen, bei denen Maschinen menschenähnliche Intelligenzleistungen erbringen […]. Die Grundidee besteht darin, durch Maschinen eine Annäherung an wichtige Funktionen des menschlichen Gehirns zu schaffen – Lernen, Urteilen und Problemlösen.”

Wie kann Künstliche Intelligenz im Recruiting eingesetzt werden?

Für die Personalgewinnung gibt es verschiedene Anwendungsbereiche der KI, die Unternehmen bereits ausnutzen:

  • Automatisierung der Gestaltung neuer Stellenangebote
  • Beantwortung anfallender Fragen von Bewerbern durch einen auf das Unternehmen zugeschnittenen Chatbot
  • Sichtung der Bewerbungsunterlagen und Treffen einer Vorauswahl (CV-Parsing)
  • Analyse der öffentlich zugänglichen Informationen von Bewerbern (z. B. auf Social Media)
  • Scannen von Bewerberplattformen (z. B. LinkedIn) nach bislang unentdeckten Talenten (Social Recruiting)
  • Führen (erster) Bewerbungsgespräche durch einen Chatbot (Robot Recruiting)
  • Identifikation von Mustern aus Sprachaufzeichnungen von Bewerbungsgesprächen, um Erkenntnisse über Hard & Soft Skills abzuleiten und eine Vorhersage über die zu erwartende Jobperformance zu treffen

Künstliche Intelligenz kann also über den gesamten Bewerbungsprozesses angewandt werden. Auch danach kann ein Unternehmen KI einsetzten, um zukünftige Recruiting-Vorgänge zu verbessern.

Welche Vorteile kann Künstliche Intelligenz im Recruiting haben?

Gemäß des Barometers Personalvermittlung 2022 nutzen bereits 47,4 % der Personalvermittler KI-Tools zur Unterstützung bei der Mitarbeiterfindung. In den Personalabteilungen von Unternehmen sind es 19,9 %, man erhofft sich dabei eine Verbesserung im Recruitment.

  • Effizienz: Künstliche Intelligenz kann eingesetzt werden, um aus vergangenen Bewerbungsprozessen zu lernen und die Erkenntnisse auf zukünftige Prozesse anzuwenden und sie zu verbessern. Durch den Einsatz von KI lassen sich Aufgaben schneller und möglicherweise auch kostensparender bearbeiten.
  • Entlastung des HR-Teams: Je mehr Aufgaben durch KI-Programme übernommen werden, desto mehr Zeit wird gespart. Die Mitarbeiter der Personalabteilungen können repetitive, zeitaufwändige Aufgaben abgeben und sich auf das Wesentliche konzentrieren.
  • Qualitätssteigerung: Durch die Einführung von KI in die unternehmensinternen Arbeitsprozesse können diese kritisch hinterfragt und gezielt verbessert werden. Der Anteil der erfolgreich durchgeführten Bewerbungsprozesse steigt.
  • Verfügbarkeit: Durch Chatbots können Fragen geklärt werden und sogar erste Bewerbungsgespräche geführt werden. Weil sie dauerhaft und von überall verfügbar sind, kann jeder Bewerber ohne großen Aufwand darauf zugreifen. Dazu kommt, dass man KI auch als Übersetzungstool verwenden kann. Dadurch können auch ausländische Arbeiter oder Menschen mit Migrationshintergrund in den Bewerbungsprozess involviert werden.
  • Objektivität: Unternehmen, die KI im Recruitment benutzen, erhoffen sich eine objektivere Einschätzung aller Bewerber. Während die Entscheidung der Personaler von subjektiven Wahrnehmungen, (unbewussten) Vorurteilen oder der Tagesform abhängig sein kann, soll die KI komplett objektiv handeln. Damit soll sichergestellt werden, dass der geeignetste Bewerber ausgesucht wird.

Welche Nachteile oder Gefahren birgt der Einsatz von Künstlicher Intelligenz?

Die möglichen Vorteile des Einsatzes wurden oben aufgelistet. Allerdings birgt die Künstliche Intelligenz im Personalwesen auch Gefahren und kann Nachteile mit sich bringen.

  • Bias
  • Während sich Unternehmen Objektivität von ihren KI-Tools erhoffen, kann genau das Gegenteil eintreten. KI kann diskriminierend sein - das hängt mit dem Datensatz zusammen, mit dem sie trainiert wird. Man bezeichnet dies als einen Bias. Meist handelt es sich dabei um etwas, das unbewusst von Entwicklern in das System eingebracht oder durch maschinelles Lernen dorthin gelangt ist.. Denn wenn die Daten nicht objektiv, aktuell und korrekt sind, so sind es auch die Auswertungen der KI nicht. Das kann dazu führen, dass die Künstliche Intelligenz Attribute negativ bewertet, die mit der Jobperformance eigentlich nichts zu tun haben, wie die Ethnie oder das Geschlecht.
  • Abhängigkeit vom Anbieter
  • Es ist eher unwahrscheinlich, dass eine Personalabteilung ein unternehmensinternes KI-Tool benutzt, dass sie im Recruiting einsetzen können. Es müssen somit unternehmensexterne Programme herangezogen werden. Die Zurverfügungstellung, einzelne Komponenten, Weiterentwicklung und Instandhaltung des Tools hängen alle vom Entwickler ab. Auch der Datensatz, der zum Training der KI verwendet wird und deren Qualität beeinflusst, wird von dem Drittunternehmen gestellt. Die Abhängigkeit vom Anbieter kann potenziell zu mangelnder Flexibilität führen.
  • Kontrollverlust
  • Der Kontrollverlust kann zum einen mit dem oben genannten Punkt zusammenhängen; wenn ein Unternehmen ein drittbezogenes KI-Tool verwendet, hat es nur wenig Kontrolle über die Komponenten, die Weiterentwicklung oder den Trainings-Datensatz. Aber auch während der Verwendung kann die Kontrolle über den Bewerbungsprozess verloren gehen. Da KI-Programme meist keine Begründungen für ihre Entscheidungen angeben, fällt es oft schwer, nachzuvollziehen, warum ein Bewerber ausgeschlossen wurde.
  • Anschaffungskosten und laufende Kosten
  • Unabhängig davon, ob ein Unternehmen ihr eigenes KI-Tool entwickelt oder ein externes benutzt, sind beide Prozesse sind immer mit hohen Kosten verbunden. Dabei fallen Anschaffungs- bzw. Bereitstellungskosten und laufende Betriebs- und Wartungskosten an. Vor dem Einsatz müssen die Personaler in die Software eingearbeitet werden und die KI muss fortlaufend mit unternehmensspezifischen Daten gefüllt werden.
  • Fehlende Akzeptanz
  • Die Assoziationen, die Bewerber mit dem Einsatz von KI im Recruiting-Prozess haben, sind überwiegend negativ. Eine Studie der IU (Internationale Hochschule) ergab, dass fast zwei Drittel (64,7 %) dem Einsatz von künstlicher Intelligenz im Recruiting ablehnend gegenüberstehen. Vor allem die Unpersönlichkeit und Fehleranfälligkeit werden als Gründe genannt. Kandidaten stehen einem persönlichen Kontakt im Bewerbungsgespräch immer noch offener gegenüber. Wird der menschliche Kontakt mit einer KI ersetzt, kann das die Erfahrung der Bewerber mit dem Unternehmen negativ beeinflussen und sie entscheiden sich möglicherweise für einen anderen Arbeitgeber.

Was sollten Unternehmen beachten, die KI einsetzen möchten?

Der Einsatz von KI im Recruiting bringt also sowohl Vor- und Nachteile mit sich. Entscheidet sich ein Unternehmen dazu, Künstliche Intelligenz zu nutzen, sollte es einige zusätzliche Schritte einleiten. Diese betreffen sowohl die Bewerber, das Unternehmen und die Mitarbeiter:

  • Rechtlich informieren
  • Besonders entscheidend sind Gesetze zum Datenschutz (DSGVO & BDSG) sowie die Achtung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), das Diskriminierung - auch durch Datensätze der KI - sanktioniert.
  • Systeme sichern
  • Die Gefahr, dass (KI-)Systeme gehackt und manipuliert werden und auf sensible Daten zugegriffen wird, ist hoch und sollte mit ausreichenden Maßnahmen verhindert werden.
  • Schulungen anbieten
  • Damit das KI-Tool bestmöglich eingesetzt werden kann und sich die Mitarbeiter sicher im Umgang fühlen, sind Schulungen sinnvoll. Zu den relevanten Schulungen rund um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Recruiting zählt die Einarbeitung von Personalern, Anwendern und Netzwerkadministratoren.
  • Transparenz wahren
  • Bewerber sollten grundsätzlich immer erfahren, wann und wie KI im Prozess verwendet wird und was mit ihren Daten geschieht. Sollte ein Bewerber den Einsatz von KI ablehnen, gilt es ein traditionelles Bewerbungsverfahren als Alternative anzubieten.

Künstliche Intelligenz im Recruiting ist ein noch recht neuer Ansatz zur Verbesserung des Bewerbungsprozesses. Aktuell birgt sie noch einige Unsicherheiten und die Akzeptanz ist niedrig. Allerdings ist KI ein Thema, dass sich unglaublich schnell weiterentwickelt, weshalb abzuwarten ist, wie es sich die Technologie, der Nutzen und die Nutzer in naher und ferner Zukunft verändern werden.

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